Ich bin ein Blick von außen
von Monika Klengel
Neben meiner Tätigkeit im TiB arbeite ich auch als Outside Eye. Ich liebe das. Ein Outside Eye, das ist ein Mensch, der in den Probenprozess von Projekten eingeladen wird, an denen er/sie nicht selber aktiv als Künstler*in beteiligt ist. Outside eben. Meistens sind es Performances, die ohne Regisseur*in entstehen, wo also keine*r von außen zuschaut und entscheidet. Arbeiten, die allein oder im Kollektiv entstehen. Immer wieder werde ich auf Proben eingeladen, um als erste Zuschauer*in einen unfertigen Zwischenstand anzuschauen. Eye eben. Das ist wie eine erste Feuerprobe, um zu sehen, ob das was taugt, wo man gerade künstlerisch dran ist. Es ist ein sehr fragiler Vorgang. Das ist sehr spannend und auch sehr intim. Man lässt sich in die Karten blicken. Ich liebe das.
Bevor ich in den Raum trete, schüttle ich mich immer, muss irgendwie das Draußen ablegen, die Rezeptoren einschalten. Aufwachen. Im Raum ist meistens alles sehr chaotisch, die Stimmung ist aufgekratzt oder aber bewusst ruhig. Je nachdem. Irgendein Mikro funktioniert noch nicht, die Kostüme sind halb fertig, Performer*innen besprechen Texte, sagen Dinge wie: „Nach dem Song gehe ich einfach ab, hab ich mir gedacht. Nur damit du dich nicht schreckst.“ „Ok.“ Alles ist im Provisorium. Ich kenne das Gefühl. Irgendwo an der Wand hängt ein Ablauf. Oder auch nicht. Jemand kommt und begrüßt mich: „Also, es ist alles noch sehr roh, erwarte dir nicht zu viel.“ Und doch erwarten wir viel voneinander. Es geht um was. Ich bin die erste Zeugin. Ich fühle mich immer wie ein Alien. Ich kenne das alles aus der eigenen Arbeit, doch hier bin ich die Außenstehende. Es ist ein guter Zustand. Ich liebe das.
Wenn der Durchlauf – manchmal ist es eine lose Aneinanderreihung von Ideen – läuft, versuche ich aufzunehmen, was geht. Alles am besten. Ha! Geht natürlich nicht. Aber einfach wahrnehmen, alles ist auf Response getuned. Was machen die da, was wollen sie damit, was löst es bei mir aus, was verstehe ich, was macht mich ratlos, was berührt mich, wo schwinge ich mit, wo drifte ich ab, was ist das da eigentlich als Ganzes, bei dem ich hier dabei sein darf? Ich versuche anwesend zu sein. Radikal anwesend. Ist schwierig. Ist geil. Irgendwann ist es vorbei. „Danke!“
Dann eine rauchen. Kurz rausgehen. Auslüften. Dann kommt der Sitzkreis. Halleluja. Notebooks analog oder digital werden aufgeklappt. Ich schaue in viele geweitete Augenpaare, die sagen: „Und?“
Es geht nicht darum, ob mir etwas gefällt oder nicht. Ich möchte immer ehrlich sein. Und gleichzeitig konstruktiv bleiben. Im Guten wie im Misslungenen. Was ist schon misslungen. Was ist schon gut. Ich bin hier um zu berichten, was ich gesehen habe und was es bei mir ausgelöst hat. En gros et en detail. Natürlich bin ich in allem keine naive Betrachterin. Ich bin vom Fach. Klar mache auch Vorschläge, wie es gehen könnte. Sicher. Ich habe meine Haltung zum Gesehenen, aber es ist nicht meine Aufgabe, die Fragen, die sich stellen, zu lösen. Die richtigen Konsequenzen zu ziehen. Ich bin ein Assist fürs Traumtor. Ich bin ein Blick von außen. Das ist ein großer Luxus. Und ich komme gern wieder vorbei, weil ich liebe das. Aber das habe ich schon gesagt. „Danke! Geht noch wer was trinken?“
12. September 2018, Kategorien: Nachrichten aus dem Betrieb