WUNDPFLASTER. GRENZE/NLOSE/LIEBE

die Entstehungsgeschichte einer Theatergruppe von Klemens Pehsl

2 Jahre ist es nun schon her, dass ein junger afghanischer Mann sich was ausgedacht hat: Warum nicht, anstatt Fußball zu spielen oder nur zu Hause zu sitzen ein bisschen Theater spielen? So viel wertvolle Lebenszeit ist schon vergangen beim Warten auf den Asylbescheid. Man kann doch nicht nur warten und sitzen und Fußball spielen, Tee trinken, gelegentlich und unterbezahlt arbeiten und so weiter, weil dazwischen immer noch viel zu viel Platz für Sorgen und Ängste bleibt. So viel Zeit, in der Zweifel und Frustration wachsen können. Warten kann schrecklich sein.

Also eine Theatergruppe, da kann man seine Freunde treffen, und man findet bessere Beschäftigungen als Teetrinken, sondern man kann auch was lernen und aktiv sein. Man kann sogar neue Leute kennenlernen, das ist auch nicht schlecht. Vielleicht kann man als junger Mann aus fremden Ländern ja sogar interessante Geschichten erzählen. Vielleicht könnte man sogar die vielen brennenden Gefühle verarbeiten und den Leuten hier zeigen, dass man auch gerne so leben möchte, wie sie. Tee trinken in der selbst gemieteten Wohnung. Arbeiten mit normaler Bezahlung. Freunde und Familie haben, die nicht morgen schon vielleicht nicht mehr da sind, sondern die auch übermorgen noch neben mir sind. Sich irgendwo zu Hause fühlen und nicht auf der Straße wie ein Fremder angeschaut werden.

Das klingt gut, dann also eine Theatergruppe. „Wundpflaster“ wäre ein schöner Name!

Der junge Mann, ein echter Musterschüler unter den Asylwerbern, hat zu dem Zeitpunkt schon einige Bekannte und Freunde in Graz gefunden gehabt, die sind immer bereit für solche Projekte. Schnell ist die erhoffte Unterstützung gefunden, ein paar gleichgesinnte Bekannte und Freunde zusammengetrommelt und das Theater im Bahnhof hat sich auf Anfrage bereit erklärt, uns ein bisschen unter die Arme zu greifen.

Regisseure, Schauspieler, Autoren und andere Künstler haben uns seither jeden Samstag mit dem Theaterspielen vertraut gemacht. Viele österreichische Theater-Profis trafen auf viele ausländische Theater-Newbies: Afghanistan, Irak, Syrien, Frankreich, Iran, auch Österreich. An den gemeinsamen Tagen haben wir viel Theater gespielt, improvisiert, daneben auch noch gekocht, gegessen, getanzt, gelacht, gesungen. Viele unserer Freunde konnten nicht bis heute bei Wundpflaster weitermachen, aber einige von uns sind immer noch dabei und haben sich überlegt, einmal ganz richtig und echt für Publikum Theater zu spielen.

Wir haben also unterschiedlichste Geschichten, Ideen und Vorschläge zusammengetragen, sie aufgeschrieben, gezeichnet, gemalt, sie durchgespielt oder improvisiert. Allfälliges, wie negative Asylbescheide, Wohnungssuche, Gespräche, Diskussionen, Unpünktlichkeit, Übermüdung, Bewerbungen, Depressionen, Frust und Blödeleien wurden nebenbei bewältigt.

Bis hier her haben wir es geschafft und unsere eigene kleine Geschichte geschrieben, die wir jetzt gerne der Welt erzählen würden. Vielleicht wird das Warten dadurch ein bisschen leichter und die Gesichter auf der Straße ein bisschen freundlicher.

Grenzenlose Liebe“ ist das Ergebnis von über einem Jahr gemeinsamen Schaffens. Eine moderne Version von Romeo & Julia, Schauplatz ist unsere Heimat.

3. Dezember 2019, Kategorien: Nachrichten aus dem Betrieb